Humanitärer Einsatz in Eritrea – Plastische Chirurgen geben Hoffnung
Medizin in Afrika
Eritrea ist ein vergleichsweise kleiner Staat im nordöstlichen Afrika. Es leben dort rund 6 Mio. Menschen, ca. 1/4 davon in der Hauptstadt Asmara. Fast die Hälfte der Bevölkerung sind Kinder unter 14 Jahren und die Geburtenrate steigt weiter.
Das Gesundheitswesen in Eritrea wird nach 30 Jahren Unabhängigkeitskrieg seit den 90ern zwar staatlich ausgebaut und die Behandlung ist für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben kostenlos, dennoch ist die medizinische Versorgung nach wie vor schwierig. In den großen Städten sind in den vergangenen Jahren einige neue Kliniken entstanden, die eine gute Regelversorgung leisten, trotzdem mangelt es vor allem an ausreichend medizinischen Fachkräften, insbesondere Ärzten. Auf 10.000 Einwohner kommen dort 0,5 Ärzte – zum Vergleich, in Deutschland sind es 38.
Das mag unter anderem daran liegen, dass ca. 50% der Bevölkerung nicht Lesen und Schreiben können und ihnen damit eine akademische Ausbildung verwehrt bleibt. Aber auch diejenigen, die das Glück einer guten Schulbildung hatten, nutzen Ihre Chance meist, um im Ausland zu studieren, weil sie dort langfristig bessere Chancen für sich sehen. Einen Großteil der medizinischen Versorgung in den Krankenhäusern übernimmt deshalb die Pflege, so können komplexe und schwierige Eingriffe oft nicht durchgeführt werden und viele Patienten bleiben unbehandelt.
Ärzteteam im Einsatz
Um diese Situation etwas zu lindern, leisten eine Reihe humanitärer Hilfsorganisationen einen wertvollen Beitrag. Zwei von ihnen sind INTERPLAST-Germany und das Hammer-Forum. Beides gemeinnützige Vereine die mehrmals im Jahr eine Gruppe von Fachärzten und Helfern in Krisengebiete entsenden. Spezialisierte Ärzte führen ehrenamtlich plastischchirurgische Eingriffe an Kindern und Erwachsenen durch, die z.B. unter Fehlbildungen an der Hand und im Gesicht, Gaumenspalten, schwersten Verbrennungen, Tumoren oder anderen Entstellungen durch Unfälle oder Kriegsfolgen leiden. Dr. Lijo Mannil, Chefarzt der Klinik für Chirurgie V, Plastische und Ästhetische Chirurgie am St. Vinzenz-Hospital hat im Januar diesen Jahres das erste Mal an solch einem Einsatz teilgenommen und 2 Wochen lang am Halibet-Hospital in Asmara operiert. Seine langjährige Berufserfahrung nicht nur in der Plastischen Chirurgie, sondern auch in der Handchirurgie, machte Dr. Mannil hier zu einem willkommenen Operateur.
2x im Jahr reist ein deutsches Team u.a. nach Eritrea, finanziert ausschließlich durch Spendengelder und die Beiträge der Vereinsmitglieder von INTERPLAST-Germany oder dem Hammer Forum. Zu dieser seltenen Gelegenheit kommen Patienten aus dem ganzen Land in die Klinik der Hauptstadt, um von den Ärzten gesehen zu werden. Sogar aus dem benachbarten Äthiopien oder dem Sudan reisen sie an. Unterkunft und Flug für das Einsatzteam bezahlt die Hilfsorganisation, das benötigte Equipment finanzieren die Ärzte teilweise aus eigener Tasche und bringen es
aus Deutschland mit. „Wir hatten große Sorge, dass etwas von unserem Material im Zoll hängen bleibt und dann bei unserer Arbeit fehlt“, erinnert sich Dr. Mannil. Damit die 2 Wochen vor Ort effizient genutzt werden können, werden die Patienten oft schon vorher durch ortsansässige Krankenhausmitarbeiter ausgesucht. So können bis zu 7 komplizierte Operationen pro Tag erfolgen, mehr als doppelt so viele Patienten werden zusätzlich untersucht. Einer der dramatischsten Fälle war der eines 10 Monate alten Jungen, der kurz nach seiner Operation vom Ärzteteam reanimiert werden musste, weil sein Zustand sich stark verschlechtert hatte. Der Junge, der an schweren Verbrennungen operiert wurde, konnte danach auf die Intensivstation verlegt werden und es geht ihm heute gut.
Demut und Dankbarkeit
Was Dr. Mannil besonders beeindruckt hat ist die unglaubliche Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen in Eritrea: „Der größte Teil der Bevölkerung hat selbst kaum genug Geld, um die Familie zu ernähren. Trotzdem hat man uns überall zum Essen eingeladen und uns mit kleinen Geschenken überrascht. Und ich ziehe den Hut vor der hohen Leidensschwelle der Patienten – insbesondere der Kinder. Auch wenn man Ihnen die Erschöpfung angesehen hat, haben Sie das Warten geduldig ertragen und immer noch dankbar gelächelt. Daran muss ich oft denken, seit ich wieder in Deutschland bin und finde, dass wir die gute medizinische Versorgung hier oft zu selbstverständlich finden.“, meint der Chefarzt. Eines der schönsten Erlebnisse abseits der medizinischen Arbeit war für Dr. Mannil eine Kaffeezeremonie, die die OP-Schwestern für ihn abgehalten haben. Diese Art der Kaffeezubereitung ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens in Eritrea und ein Zeichen der Freundschaft. Sie gehört zum Alltag und wird in traditionellen Haushalten bis zu dreimal am Tag abgehalten.
Die Zeremonie wird ausschließlich von Frauen durchgeführt und jedes Mädchen in Eritrea erlernt sie in seiner Familie. Es kann bis zu 2 Stunden dauern, bis alle notwendigen Arbeitsschritte durchgeführt sind. Zunächst müssen die grünen, rohen Kaffeesamen gereinigt werden, dann werden sie in einer traditionellen Pfanne langsam geröstet. Selbst der Klang der Bohnen, wenn man sie beim Rösten in der Pfanne schüttelt hat einen eigenen Namen: Keshkesh. Sind die Bohnen braun geröstet werden sie auf eine Binsenmatte gestreut, die herum gereicht wird, damit jeder den Duft genießen kann. Danach wird der Kaffee klein gemörsert und nach genauen Vorgaben von Hand aufgegossen. Dr. Mannil zieht für sich eine positive Bilanz und kann sich gut vorstellen bald wieder los zu fahren: „In erster Linie bin ich froh, dass wir so vielen Menschen helfen konnten. Besonders toll finde ich aber auch, dass wir mit den inländischen Kollegen im Team gearbeitet und junge Studenten geschult haben. Wir wollten möglichst viel Wissen vermitteln, als Hilfe zur Selbsthilfe sozusagen“.